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Analyse 13.07.2017

Bis es dich betrifft

Politik ist langweilig, PolitikerInnen sind laufende Heißlufterzeuger und dich geht es ohnehin nichts an. Doch dann …

Ist Politik nicht eigentlich ganz einfach? Alle vier Jahre machen PolitikerInnen ihre Wahlversprechen - und wir ärgern uns dann nach der Wahl, dass diese Versprechen nicht eingehalten wurden. Warum sollst du dir an deinem freien Sonntag die Mühe machen, ein Kreuz abzugeben, das nichts ändert - insbesondere, wenn du noch jung bist und zum ersten Mal wählen könntest? Machen die “da oben” nicht sowieso, was sie wollen, egal ob du zur Wahl gehst oder nicht? Ist Politik nicht vielleicht auch einfach nur langweilig?

Genau dieses Gefühl greift die Initiative “Mut zum Kreuz” mit einem Augenzwinkern in sechs kurzen Videos auf. Alle Videos orientieren sich dabei an einer immer gleichen Grundgeschichte: Max ist gerade 18 geworden, er wird dieses Jahr also zum ersten Mal wählen. Als Erzähler führt er uns durch einen für ihn typischen Tag mit Schule, Aushilfsjob, Beziehungsstress und eine Party am Abend. Die Videos unterscheiden sich nur darin, dass jeweils eine andere Partei alleine an der Regierung ist und durch ihre Politik Max’ Alltag doch gehörig beeinflusst. Das Ziel der Initiative: Verdeutlichen, welche WählerInnen die verschiedenen Parteien im Auge haben und was passieren würde, wenn eine Partei ihr Wahlprogramm ohne Kompromisse umsetzen könnte. Das Projekt wurde von Jugendlichen aus dem Münchner Regionalverband des Bundes der deutschen katholischen Jugend (BKDJ) umgesetzt. Ausgangspunkt waren Fragen der Jugendlichen selbst, so Annemarie Eckardt, Leitungsmitglied des Projektteams. Viele ErstwählerInnen in ihrem Verband wissen nämlich nur wenig über die unterschiedlichen Parteien. Um dies zu ändern, beschäftigten sich die Jugendlichen selbst mit deren aktuellen Programmen. Anschließend setzten sie die Inhalte in Kooperation mit professionellen Drehbuchautoren und Regisseuren filmisch um.

Die Auswahl der dargestellten Parteien erfolgte dabei nach den Zweitstimmenergebnissen aus der Bundestagswahl 2013, so Eckardt. Außerdem wird neben CDU/CSU, SPD, Die Linke, Die Grünen und FDP auch die AfD dargestellt. Eckardt dazu: “Die AfD tritt genau wie die anderen Parteien zur Bundestagswahl an und taucht auf dem Wahlzettel als ganz ‘normale’ Partei auf. Genau deshalb ist es wichtig, sie auch im Rahmen der politischen Bildung mit zu betrachten.” Die Teamleiterin wendet sich damit gewissermaßen gegen ihre eigene Kirche: Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, hatte im März 2016 noch in einer Stellungnahme gemahnt, man müsse “Rechtspopulisten weniger mediale Aufmerksamkeit schenken”.

Eckardt hingegen glaubt nicht, “dass Probleme verschwinden, wenn man sie ignoriert”; Demokratie lebe vom Diskurs, Diskurs von kontroversen Meinungen. “Ich glaube, die deutsche Demokratie ist stark genug, andere Meinungen auszuhalten und hat gute Antworten auf rechtspopulistische Parolen,” führt sie weiter aus. In einer Podiumsdiskussion zur Premiere der Projektfilme am 21. Juni 2017 in München hatte man VertreterInnen von allen sechs dargestellten Parteien eingeladen. Die AfD habe sich dabei “gespalten und widersprüchlich” präsentiert. Konkret zu den Inhalten der Partei befragt, antwortet Eckardt deutlich: “Die AfD ist für mich keine christliche Partei und vertritt meiner Meinung nach keine christlichen Werte.” Trotzdem sei das BKDJ-Team bei der Analyse der Programme auf Neutralität bedacht gewesen; man habe sich zur Sachlichkeit ermahnt und keines der Videos zu einer Parodie machen wollen.

Dies ist in unseren Augen durchweg gelungen. Indem die Videos die Inhalte der Parteien ernst nehmen und einmal (fiktiv) bis zum Ende durchdenken, liefert die Initiative einen entlarvenden, teilweise beklemmenden Vergleich der konkreten parteipolitischen Ziele. Die Videos sind unterhaltsam und informativ zugleich. Und sie zeigen eines sehr deutlich: Egal, wie langweilig Politik einem vorkommen mag, die Auswirkungen betreffen auch Max, den jungen Erstwähler aus den Filmen. Wegschauen ist also keine Lösung. Denn wenn sich Desinteresse in niedriger Wahlbeteiligung niederschlägt und keiner mehr so richtig weiß, wie politische Entscheidungen getroffen werden, dann ist die Stunde der Populisten gekommen. Politiker machen erst dann, was sie wollen, wenn du dich nicht mehr einmischt.

Darum engagieren sich Mut zum Kreuz und Kleiner Fünf für die Demokratie und ein besseres Verständnis dafür, was die politischen Parteien vorhaben.