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Analyse 31.08.2017

Zehn Tipps zur Wahlentscheidung

“Ja, ich will”, war deine Antwort, als dein/e FreundIn dir einen Wahlantrag gemacht hat. Nun hast du den Ring am Finger und ein Date am 24. September. Doch auch wenn es viele gute Gründe dafür gibt, sein Wahlrecht wahrzunehmen - damit stellt sich auch die Qual der Wahl.

Von Lore Kurtz - Mit deiner Erststimme darfst Du eine/n Abgeordnete/n deines Wahlkreises und mit der Zweitstimme eine aus 42 Parteien wählen! Mit den folgenden zehn Anhaltspunkten möchten wir dir dazu eine Orientierungshilfe geben.

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1. Zurückblicken und Bilanz ziehen

Wenn dies nicht deine erste Wahl ist, kann ein Blick zurück dir bei der jetzigen Entscheidung helfen. Wen hast du vor vier Jahren gewählt - und was hat er oder sie, was hat die Partei daraus gemacht? Hast du dich gut vertreten gefühlt? Welche der versprochenen Positionen sind im täglichen Koalitionsgeschäft oder in der mühsamen Oppositionsarbeit wirklich zur Sprache gekommen? Mache dir noch einmal bewusst, was in der letzten Legislaturperiode passiert ist.

Dabei hilft dir auch Deinwal.de, eine Art rückwärtsgewandter Wahl-o-mat. Damit kannst du nachschauen, wer in den vergangenen vier Jahren am ehesten deine Meinung vertreten hat.

2. Wahlprogramme analysieren und Wahl-o-mat befragen

Dann heißt es, nach vorne zu blicken. Was die Parteien so vorhaben und worin sie sich unterscheiden erkennt man an ihren Wahlprogrammen. Doch um all das zu lesen, muss man schon ein ganz fleißiges Bienchen sein...

Wem das zu viel ist, der kann es sich leichter machen: Deutschlandfunk stellt die Wahlprogramme vor, kreuzweise.net bereitet sie grafisch auf und Mut zum Kreuz hat kreative Videos gedreht.

Du kannst auch den Wahl-o-mat oder eine der Alternativen benutzten. Dabei gleichst du deine eigenen Positionen wie in einem Quiz mit denen der Parteien ab und bekommst hinterher eine Wahlempfehlung. Diese ist aber nur mit Vorsicht zu genießen - Politik ist komplexer, als ein paarminütiges Quiz aus schönen Forderungen!

3. Themen priorisieren

Wir alle haben mehrere Rollen in unserer Gesellschaft: Wir sind vielleicht gleichzeitig Kinder und Eltern; SteuerzahlerInnen und von Steuern Profitierende; UmweltschützerInnen und in Situationen, in denen Umweltauflagen nerven; wollen unsere Freiheit und gleichzeitig Sicherheit; sind freischaffend, angestellt oder arbeitssuchend, in Ausbildung, PendlerInnen, AnwohnerInnen, MieterInnen oder PatientInnen.

Dabei kann es schon mal zu Interessenskonflikten kommen - auch bei der Suche nach der passenden Partei. Also mach dich frei von der Vorstellung, dass du eine einzelne Partei finden kannst, die mit dir in allen Punkten übereinstimmt.

Schau nach den größten Überschneidungen und den Themen, die dir am wichtigsten sind.

4. Fokus auf Bundesthemen

Du ärgerst dich über die Schnellstraße vor deinem Haus? Über den fehlenden Fahrradweg in deiner Stadt? Über den Zustand der örtlichen Schule oder des Krankenhauses? Das ist dein gutes Recht - doch Vorsicht: All das sind Themen, die vor allem die Kommunal- oder Landespolitik betreffen.

Bei der Bundestagswahl stimmst du über die großen Themen ab. Hier einige Beispiele:

  • Welches Konzept für Bildung, Einwanderung, Mobilität oder Ernährung überzeugt dich?
  • Wie soll sich Deutschland als Mitglied der EU oder der UN verhalten?
  • Wer schafft die besten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für Familien oder die Entwicklung der Wirtschaft?
  • Welche Haltung vertritt eine Partei gegenüber den Schwachen unserer Gesellschaft?
  • Wer geht verantwortungsvoll mit unseren Steuergeldern um?
  • In welcher Energiequelle siehst du die Zukunft?
  • Wer hat welche Haltung zu Waffenexporten ins Ausland?

5. Wer soll deinen Wahlkreis (und damit dich) vertreten?

Mit deiner Erststimme wählst du ja explizit eine bestimmte Person, die deinen Wahlkreis vertreten soll. Also kannst du hier auch ganz genau hinschauen, was das für eine Person ist.

Was hat sie für einen Lebenslauf, für Erfahrungen und Kompetenzen? Fühlst du dich wohl bei dem Gedanken, dass sie deine Belange vertreten soll? Wirkt sie tauglich für ihren Job? Was hast du in der Lokalpresse über sie vernommen? Was für Informationen findest du bei Abgeordnetenwatch über ihr Abstimmungsverhalten?

Vor der Bundestagswahl gibt es häufiger Veranstaltungen mit den KandidatInnen des Wahlkreises. Geh hin und mach dir selbst ein Bild!

6. Wer soll Bundeskanzler/In werden?

Die Abgeordneten der Parteien im Bundestag wählen den späteren Bundeskanzler oder die spätere Bundeskanzlerin. Im Normalfall wird es der/die SpitzenkandidatIn der Partei mit den meisten Stimmen. Deine Zweitstimme für eine Partei hat also auch Einfluss auf die spätere Wahl des Kanzlers oder der Kanzlerin.

Auch hier kannst du genauer auf die Personen schauen. Nicht nur auf den Plakaten, auch im Fernsehen, bei Youtube, im Zeitungsinterview - oder gar auf einer Veranstaltung, wo du sie live erleben kannst. Wie wirken sie auf dich? Wem vertraust du, was klingt plausibel? Wen kannst du dir auf der internationalen Bühne als VertreterIn Deutschlands vorstellen? Wie verhält er oder sie sich in unangenehmen Situationen?

Einen ungeschnittenen und ungeschminkten Blick auf viele Spitzenpolitiker findest Du übrigens auch in den Videos von Jung & Naiv auf YouTube.

7. Der Koalitionspartner

Taktisch wählen ist erlaubt! Du darfst überlegen, wer bei deiner Wunschkoalition eher Unterstützung braucht: Der große oder der kleinere Partner? Kann der kleinere Partner sicher ins Parlament einziehen? Ist die Gewichtung der Partner für dich von Bedeutung? Hat einer der Partner noch eine andere Koalitionsoption, die du verhindern möchtest? Möchtest du einer großen Partei einen Partner zur Seite stellen, damit sich nicht zu viel Macht auf eine Partei konzentriert?

Hört sich kniffelig an? Das ist es auch. Im Zweifel ist es daher besser, seiner Überzeugung zu folgen.

8. Die Opposition

Die von dir favorisierte Partei kommt wahrscheinlich nicht in die Regierung und deshalb erscheint dir alles sinnlos? Dann mach dir Folgendes bewusst: Du wählst nicht nur die Regierung mit den Koalitionspartnern, du wählst auch die Opposition. Das bedeutet, deine favorisierte Partei kann Einfluss ausüben, selbst wenn sie nicht in die Regierung kommt.

Als Opposition kann sie große oder kleine Anfragen stellen, Untersuchungsausschüsse berufen, bei der Regierung kritisch nachfragen, Gegenvorschläge einbringen, hart verhandeln und letztendlich den Kompromiss in ihre Richtung ziehen.

Also, von welcher Seite sollen deiner Meinung nach die kritischen Nachfragen kommen? Wer soll die Gegenvorschläge machen? Das kannst du mitentscheiden!

9. Kleine Parteien unterstützen

Keine der großen Parteien mit Hoffnung auf Einzug in den Bundestag überzeugt dich? Geh trotzdem wählen! Es gibt viele andere, kleine Parteien, die es voraussichtlich nicht über 5 Prozent schaffen werden - doch sie zu wählen ist nicht vollkommen sinnlos. Parteien werden auch über Steuergelder finanziert und bekommen diese schon ab 0,5 Prozent der Stimmen.

Mit diesem Geld können sie ihre Strukturen aufbauen und ihre Anliegen weiterhin in der Öffentlichkeit vertreten - in der Hoffnung, dass sich ihre Themen dank deiner Stimme irgendwann durchsetzen können.

10. Ungültige Stimme

Und ganz wichtig: Nur gültige Stimmen zählen! Ein Stimmzettel, auf dem nichts oder zu viel angekreuzt wurde, gilt als ungültig, da der Wählerwille nicht eindeutig erkennbar ist. Gleiches gilt übrigens auch, wenn du etwas auf den Zettel schreibst oder malst! Das kann schon passieren, wenn der Stift nicht schreibt und du versuchst, ihn mit ein paar schnellen Strichen auf dem Wahlzettel wieder zum Schreiben zu bringen.

Mit einer ungültigen Stimme könntest du vielleicht kurzfristig deiner Unzufriedenheit Ausdruck verleihen, doch ändern wird sich dadurch nichts. Ungültige Stimmen werden zwar in die Wahlbeteiligung eingerechnet. Welche Partei wie viele Prozentpunkte erhält, wird jedoch ausschließlich anhand der gültigen Stimmen gemessen. Mit einer ungültigen Stimme erhöht man also die Wahlbeteiligung, wird aber weder am Einfluss der rechtspopulistischen Parteien etwas vermindern, noch verleiht man seiner Kritik an etablierten Parteien Ausdruck.

Also, geh wählen - aber bitte gültig!

Haben wir einen Punkt oder Anstoß vergessen? Welche Gedanken machst du dir? Schreib uns gerne!